Wie seid ihr ins Haus des Engagements gekommen und was macht ihr hier?
2021 haben wir bei der AktivoliBörse von der Möglichkeit erfahren und sind mit Jana Hüttmann ins Gespräch gekommen. Wir haben nun das Glück, das Haus des Engagements als Coworkingspace einmal in der Woche für unsere Vereinsarbeit nutzen zu dürfen. Endlich können wir einen kleinen Teil unserer Unterlagen an einem Ort gebündelt lagern und in netter Arbeitsatmosphäre unsere Projekte weiterentwickeln. Gerade das Netzwerken ist für kleine Vereine so wichtig, um Synergien zu schaffen und bekannter zu werden – das ist hier wunderbar möglich. Auch das Kennenlernen von Ehrenamtlichen oder das Abhalten einer Mitgliederversammlung lässt sich hier viel besser umsetzen als in unserem privaten Wohnzimmer oder einer Bücherhalle.
Für welche Themen oder Projekte engagiert ihr euch aktuell? Und wofür habt ihr euch in der Vergangenheit eingesetzt?
Ziel unseres Vereins ist, dass sich Menschen wieder als Teil der Natur, die wir auch “unsere lebendige Mitwelt” nennen, verstehen und sie somit lieben, schätzen und schützen. Wir wollen damit einen ganzheitlichen Beitrag für die Gesellschaft und die Natur leisten. Wir verfolgen dabei einen verspielt emotionalen Ansatz über den Körper und die Sinne, da wir überzeugt sind, dass erst in einem zweiten Schritt kognitive Wissensvermittlung möglich ist bzw. Sinn macht. Wie auch bei einer guten Verbindung zwischen Menschen wollen wir eine emotionale Verbindung zu unseren Mitlebewesen ermöglichen, die durch Interesse am und Wissen über sie bereichert wird und unser aller Gesundheit zugute kommt. Auf diese Weise erweitern wir unser Selbst um diejenigen, mit denen wir verbunden sind, mit der Folge, dass wir sie schützen wollen, um uns selbst zu erhalten.
Mit der Gründung eines gemeinnützigen Vereins wollen wir unsere Arbeit noch mehr Menschen zugänglich machen und somit ein klares Zeichen für Teilhabe und Chancengleichheit setzen.
Unser Kernprojekt ist das Programm “Jedem Kind ein Camp! Denn: Wildnis bildet und tut gut!”. Dreimal im Jahr, eine Schulferienwoche lang, ganztägig, von Montag bis Freitag, verbringen zwei ausgebildete Wildnispädagogen:innen und ein:e bis zwei Ehrenamtliche mit Grundschulkindern gemeinsam Zeit im Freien um die Verbindung zur Natur aufzubauen bzw. zu intensivieren. Uns geht es dabei um lebendige und gemeinschaftsbildende Naturerfahrungen zur Förderung eines gesunden Selbst-Bewusstseins (Ich-Kompetenz) sowie eines achtsamen sozialen und ökologischen Bewusstseins (Sozial- und Sachkompetenz). Wir kooperieren hierbei mit Grundschulen oder Jugendzentren, um eine Durchmischung der Gruppen zu erreichen, denn unsere Erfahrung zeigt, dass ansonsten v.a. Kinder aus sehr naturverbundenen und bildungsnahen Elternhäusern an wildnispädagogischen Angeboten teilnehmen. Indem wir Fördergelder beantragen oder solidarische Preisgestaltungen entwickeln, versuchen wir uns für mehr Chancengleichheit und Teilhabe zu engagieren. In 2023 und 2024 muss das Projekt leider in Hamburg ruhen, da die Fördermittelakquise und v.a. Koordination mehr Zeit beansprucht, als wir ehrenamtlich leisten können. Wir konnten jedoch mit kleineren wilden Tagesaktionen und zwei Wildniswochen in der Nordheide dranbleiben und hoffen, dass es, wenn Inge im Jahr 2025 aus der Elternzeit zurück ist, wieder weitergeht.
Neben den Wildniswochen für Kinder entwickeln wir auch wildnispädagogische Angebote für Erwachsene, um achtsame Naturerlebnisse mit Naturwissen zu verbinden. So haben wir in unserem Programm “Auszeit Natur” ein Wochenende zum Thema “Achtsamkeit und Vogelsprache” sowie ein Wochenende für Frauen in der Natur konzipiert. Bei der Tagesveranstaltung “After Work Games” wollen wir Erwachsene über den Flowzustand des Spiels in der Natur erreichen. Feuerworkshops, wilde Küche und Auszeiten für Teams in der Natur gehören auch zu unseren wilden Projektideen, um Natur/Umweltbildung anders erfahrbar zu machen.
Was bedeutet für euch persönlich freiwilliges Engagement?
Freiwilliges Engagement beginnt für uns, wo Menschen freiwillig und mit Herzblut ihre Zeit der Mitwelt zur Verfügung stellen und etwas zurückgeben. Wir wollen mit unserem freiwilligen Engagement voller Dankbarkeit der Natur, die uns täglich auf unterschiedliche Art und Weise nährt, etwas zurückgeben, unsere Erfahrungen teilen und damit unseren Teil für eine zukunftsfähige Gesellschaft beitragen. Es fühlt sich wie eine gute Pflicht an.
Welche Bedeutung hat freiwilliges Engagement eurer Meinung nach für die Gesellschaft?
Aus unserer Sicht ist freiwilliges Engagement unglaublich wertvoll und für unsere Gesellschaft und Natur, deren Teil wir sind, lebensnotwendig, denn hier bündelt sich ein Pool aus Ressourcen, Talenten und Leidenschaften, die erst gemeinsam ein rundes Bild ergeben und Lücken auffüllen, die von öffentlichen Stellen allein nicht aufgefangen werden können.
Gibt es engagierte Personen oder Projekte, die euch besonders beeindrucken?
Christin: Die Öko-Feministin Vandana Shiva ist eine meiner großen Vorbilder, die sich mit so viel Herz, Stärke und Leidenschaft für den Erhalt unserer biologischen Vielfalt einsetzt.
Inge: Ohja! Ich bin seit Anbeginn Mitglied bei SchlauFox e.V. und bin dem Verein im Herzen sehr verbunden. Ich habe mich dort mal mehr, mal weniger engagiert, als Projektkoordinatorin gearbeitet oder bin einfach nur bei Festen dabei. Dabei konnte ich aus unterschiedlichen Perspektiven erleben, mit welcher Kraft, Hingabe, Energie und Durchhaltevermögen Janna Hilger, Julia Flad und Gloria Boateng den Verein aus einem kleinen Samen haben heranwachsen lassen und andere Menschen haben begeistern können sich für mehr Bildungsgerechtigkeit einzusetzen. Die drei sind ein großes Vorbild für mich und geben mir immer wieder Kraft dranzubleiben, wenn es mal vor lauter Herausforderungen keinen Lichtblick zu geben scheint.
Jana: Ja, meine Lehrerinnen Myriam Kentrup und Judith Wilhelm, die die Wildnisschule Wildeshausen mit ganz viel Herz, Mut, Verstand, Witz und Beharrlichkeit aufgebaut haben und die den Funken der Naturverbindung und mehr bereits an so viele Menschen weitergegeben haben. Ich bin immer wieder tief gerührt, wenn ich dort am Wildnisplatz bin und spüre, wieviel gute Kraft von ihm ausgeht.
Vor welchen Herausforderungen stehen Engagierte eurer Meinung nach?
Zeit. Neben Privatleben, Selbstfürsorge und Berufsalltag, der den Lebensunterhalt sichert, zeigt sich für uns oft die fehlende Zeit als limitierender Faktor für ehrenamtliches Engagement. Aber auch all die Themen, mit denen man sich auf einmal – zeitaufwendig – beschäftigen muss und die nicht immer probono geklärt werden können, wenn man einen gemeinnützigen Verein gründet und ungestraft sein eigentliches Engagement verfolgen möchte: Steuerrecht, Scheinselbständigkeit, Haftung, Arbeitsrecht … wir merken immer wieder, dass Ehrenamt Hauptamt braucht, um qualitativ gute Arbeit auf den unterschiedlichsten Ebenen leisten zu können. Das ist auch der Grund, wieso wir dieses Jahr auf die Bremse treten mussten.
Wie sieht eine Welt-Utopie für euch aus?
Puhhh… keine Ahnung. Weltfrieden? Eine Welt in der die Menschen sich wieder verbunden fühlen, mit sich selbst, den eigenen Talenten, aber auch mit ihren Mitmenschen und ihrer Mitwelt (Pflanzen, Tiere, unsere Erde…). Wo Entscheidungen aus dem Herzen getroffen werden, aus Dankbarkeit und aus der Wertschätzung heraus und nicht aus Angst. Wo es nicht darum geht, sich als Individuum zu profilieren, sondern sich gemeinsam für eine friedliche und nachhaltige Welt einzusetzen.
Welche Superkraft hättet ihr gern, wenn ihr eine wählen könntet?
Christin: Ich hätte gerne das Beamen als Superkraft, um die ganzen Wunder der Natur und unterschiedlichste Kulturen kennenlernen zu können, ohne unserer Erde dabei zu schaden.
Jana: Ich würde gerne die Sprachen der Vögel, anderer Tiere und der Pflanzen verstehen und – wie auch immer – sprechen können, würde gern erfahren, was sie bewegt und welche Perspektive sie auf die Welt und insbesondere auf uns Menschen haben, und dann dolmetschen zu können.
Inge: Die Eingebung für die allumfassende Formel, die ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle stimmig macht und Menschen die Möglichkeit gibt, ihrer Berufung zu folgen ohne Angst zu haben den Monat finanziell nicht wuppen zu können.
Zuletzt: Gibt es einen Ort in Hamburg, den ihr den Leser:innen ans Herz legen möchtet?
Um innere Ruhe zu finden, empfehlen wir euch das Verweilen auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Wenn ihr hier ganz ruhig werdet, das Handy auf Flugmodus schaltet und eure Sinne weitet, merkt ihr, dass es um euch herum keineswegs ruhig ist, sondern unzählige Vögel zwitschern, Blätter und Insekten tanzen. Denn auf Friedhöfen finden sich unterschiedliche Landschaftsstrukturen, wie Bäume, Hecken und Pflanzen, die die Tiere lieben. Auch das Eichhörnchen oder den Fuchs könnt ihr hier antreffen.