An das Haus des Engagements spenden:
03.09.2025

Vorgestellt: Hamburger Stadttauben e.V.

Der Hamburger Stadttauben e.V. engagiert sich seit 2013 für bessere Lebensbedingungen von Stadttauben in Hamburg. Aktuell betreibt der Verein drei betreute Taubenschläge nach dem Augsburger Modell (ein vierter ist in Planung) und einen kleinen Lebenshof, rettet verletzte Tiere und betreibt aktive Aufklärungsarbeit. Wir sprechen mit dem Team über Engagement und Wünsche für die Zukunft.  

(c)floeckchen_photography

Wie seid ihr ins Haus des Engagements gekommen und was macht ihr hier?
Zwei unserer Beisitzerinnen sind 2024 durch ein Seminar im Haus des Engagements aufmerksam geworden: „Konfliktfähig im Ehrenamt“. Danach war klar – hier möchten wir andocken. Inzwischen nutzen wir das HdE nicht nur fürs Coworking, sondern haben selbst schon ein Theorie-Seminar zur Erstversorgung von Tauben für unsere Mitglieder organisiert und waren auch bei der Jubiläumsfeier im Kulturklinker dabei. Netzwerken inklusive! 

Für welche Themen oder Projekte engagiert ihr euch aktuell?
Wir setzen uns für die Stadttauben ein – Haustiere, die von Menschen gezüchtet und dann ihrem Schicksal überlassen wurden. Unsere Schwerpunkte sind: 

  • Betreuung von aktuell drei offenen Taubenschlägen mit artgerechter Versorgung und Eiertausch, um Tierleid zu verringern und die Population langfristig zu verkleinern.
  • Rettung, Versorgung und Pflege verletzter oder kranker Tauben.
  • Lebenshof für 63 Tauben mit unterschiedlichen Behinderungen – aktuell suchen wir ein Ersatzgrundstück, da unser Hof zu klein ist und das Gelände langfristig anderweitig genutzt werden soll.
  • Aufklärung, Infostände und Öffentlichkeitsarbeit.
  • Dokumentation von Tierschutzverstößen, Beratung von Bürger:innen und Organisationen.
  • Eiertausch an wilden Brutplätzen wie z.B. privaten Balkonen, Parkhäusern oder zur Vorbereitung von unvermeidbaren Vergrämungen.

Warum sieht man Stadttauben eigentlich ständig auf den Straßen?
Tauben begleiten den Menschen seit der Antike – sie werden seit über 6.000 Jahren gezüchtet und gehören damit zu unseren ältesten Haustieren. Durch den angezüchteten Brutzwang brüten sie bis zu acht Mal im Jahr, unabhängig von Jahreszeit, Wetter oder Nahrungsangebot. Noch heute stranden regelmäßig Brieftauben und andere Zuchttauben in den Städten und schließen sich dort den Schwärmen an – allerdings ohne die Fürsorge, die sie eigentlich benötigen. So werden sie zu „vergessenen Haustieren“. Statt einer natürlichen Lebenserwartung von 10 bis 20 Jahren sterben bis zu 90 % bereits im ersten Lebensjahr – vor allem durch Mangelernährung und deren Folgen. 

Viele Menschen wundern sich deshalb, warum Stadttauben tagsüber in großen Schwärmen unterwegs sind. Der Grund ist einfach: In unseren Städten gibt es kaum artgerechtes Körnerfutter. Tauben verbringen daher den ganzen Tag mit Futtersuche – meist im Müll oder bei Essensresten, die für sie unverträglich sind. Hinzu kommt ihre ausgeprägte Standorttreue: Sie bleiben ihrem angestammten Gebiet treu, selbst wenn dort Vergrämungsmaßnahmen durchgeführt werden. Das führt nur dazu, dass sie in die Nachbarschaft ausweichen – oft auf Balkone oder Dachböden. Häufig wird behauptet, die Zahl der Tauben würde immer weiter steigen. Tatsächlich zeigen die bisherigen Zählungen, dass die Population seit den 1950er Jahren weitgehend stabil ist. Weil die Tiere jedoch durch Verdrängungen sichtbarer werden und wegen des Fütterungsverbots den ganzen Tag unterwegs sein müssen, wirkt es oft so, als wären es mehr. 

Was bedeutet für euch freiwilliges Engagement?
Unser Verein lebt komplett vom Ehrenamt. Lediglich für zwei Schläge gibt es Minijobber. Ohne Freiwillige wäre die Arbeit unmöglich – sei es bei der Pflege, beim Eiertausch, in der Rettung, Social Media oder in der Organisation. Allein 2024 haben wir über 28.000 Euro an Tierarztkosten bezuschusst – vieles tragen unsere Ehrenamtlichen zusätzlich privat. Unsere Freiwilligen bringen sich trotz eigener Herausforderungen oder Einschränkungen ein, weil sie hier barrierefrei einen sinnvollen Beitrag zum Tierschutz leisten können. 

Welche Bedeutung hat Engagement für die Gesellschaft?
Freiwilliges Engagement ist eine tragende Säule der Gesellschaft: Es schließt Lücken, wo staatliche Strukturen nicht ausreichen, und schafft Räume für Solidarität, Teilhabe und Mitmenschlichkeit. Menschen bringen ihre Zeit, Energie und Fähigkeiten ein, um etwas zu bewegen – oft ganz unentgeltlich und im Verborgenen. Das zeigt sich auch beim Thema Stadttauben: Sie polarisieren stark – oft aufgrund von Vorurteilen und Fehlinformationen. Wir klären auf: Taubenkot zerstört keine Baumaterialien, Stadttauben sind sehr reinlich, und ihre Krankheiten sind zum allergrößten Teil artspezifisch – also nicht gefährlicher als die von Hund oder Katze. Wird die Biologie der Stadttauben endlich richtig verstanden, ist das Ziel klar: flächendeckende betreute Schläge, übergangsweise auch kontrollierte Futterstellen und konsequenter Eiertausch. So profitieren alle: gesündere Tiere, weniger Verschmutzungen und mehr Akzeptanz im Stadtbild. 

Gibt es Projekte oder Personen, die euch besonders beeindrucken?
Ein großes Vorbild war Rudolf Reichert, der sich Zeit seines Lebens für Stadttauben eingesetzt hat. Inspirierend sind auch aktuelle Projekte in Städten wie Salzgitter oder Bremen, die von dortigen Vereinen nach dem Augsburger Modell gestartet wurden – und zeigen, dass das Konzept funktioniert. Auch unsere eigenen Schläge laufen nach diesem Prinzip sehr gut. Wir wünschen uns, dass auch städtische Projekte – wie aktuell in Barmbek – diesem Beispiel konsequent folgen. 

Vor welchen Herausforderungen stehen Engagierte eurer Meinung nach?
Ehrenamt bedeutet viel Leidenschaft und Herzblut, bringt dazu Belastungen und Enttäuschungen mit sich: Zeitdruck, finanzielle Grenzen, fehlende Wertschätzung und manchmal auch Konflikte im Team oder mit Behörden.  Für uns kommt hinzu, dass wir mit dem Stadttaubenschutz eine Aufgabe übernehmen, die unserer Meinung nach – zumindest finanziell – Aufgabe der Stadt wäre. Gerade hier wird deutlich, wie sehr Ehrenamtliche einspringen müssen, wo es eigentlich eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung bräuchte. Die Herausforderung ist deshalb doppelt. Ausreichend Helfer:innen und Spenden zu gewinnen – und gleichzeitig die Stadt aufzufordern und zu erinnern, dass sie ihrer Verantwortung für eine tierfreundliche Stadt endlich gerecht wird.  

Wie sieht eine Welt-Utopie für euch aus?
Eine Welt, in der Tiere nicht mehr leiden müssen, weil Menschen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Für uns heißt das: Städte, in denen Stadttauben in ausreichend großen, betreuten Schlägen leben können, versorgt sind und nicht mehr im Elend auf der Straße überleben müssen. In unserer Utopie gäbe es Verständnis und Empathie für alle Lebewesen – und Tierschutz wäre kein Ehrenamt, sondern selbstverständlich gelebte Aufgabe der Gesellschaft.

Welche Superkraft hättet ihr gern, wenn ihr eine wählen könntet?
Die Fähigkeit, allen Menschen mit einem Fingerschnips Verständnis für Tauben zu schenken – damit Vorurteile verschwinden und niemand mehr Tiere jagt oder leiden lässt. 

Gibt es einen Ort in Hamburg, den ihr den Leser:innen ans Herz legen möchtet?
Der Hamburger Hauptbahnhof. Er zeigt das Elend der Stadttauben in seinem ganzen Ausmaß: Der dortige Schlag mit 200 Nistplätzen war von Anfang an zu klein. Viele Tauben, die dort keinen Platz finden, sind unterernährt, krank oder verletzt; Küken stürzen von den Nistplätzen in die Gleise. Der Bahnhof macht deutlich, warum es dringend ausreichend große, betreute Taubenschläge braucht. Allein unmittelbar am und im Bahnhof bräuchten wir mindestens vier, um die Tauben von der Straße zu holen.